Erinnerungen von Katharina Schaaf geb. Dott aus Metternich
Ihr Name ist den Koblenzern wohlbekannt. Ihre Gedichte finden bis heute viel Anklang. Weil sie so menschlich sind, so humorvoll, mit Herz und Lebensweisheit geschrieben und immer ein Stückchen Wahrheit enthalten. In mehr als 40 Jahren hat Katharina Schaaf in der Rhein-Zeitung mehr als 1000 Gedichte veröffentlicht, die man in zwei Büchern nachlesen kann. 70 davon widmete Katharina Schaaf dem Koblenzer Karneval, einem ebenso beliebten Brauchtum wie der Pflege der Mundart. (Einleitungstext Website www.katharina-schaaf.de)
Wäscheschubladen leer gemacht
Da ich immer Baby sein mußte, wurde ich von den Großen in so eine Schublade gelegt. Zunächst war das ganz lustig, aber nach einer Zeit wurde es eng und ungemütlich, ich fing au zu brüllen und hörte nicht mehr auf. Die anderen machten „Kissenschlacht“, sie merkten nicht, daß ich im Hemd und barfuß auf die Straße gelaufen bin ,brüllend natürlich. Es war Mitten in der Nacht. Schließlich haben die anderen doch mein Verschwinden gemerkt. Alle liefen gleichfalls im Nachthemd runter zu mir. Niemand konnte mich beruhigen.
Da kam einer zu dem Entschluß mit der ganzen „Meute“ das Lokal aufzusuchen wo meine Eltern mit Schwester zum Kinnestanz waren. Der kleine Geisterzug brauchte sich zum Glück nur fünf Häuser weiter bis zum Lokal zu bewegen. Geigen und Trompeten verstummten, als wir im Türrahmen des Tanzsaales erschienen. Meine Mutter wurde kreidebleich. Mein Vater in weinseliger Stimmung – bat die Kapelle weiter zu spielen, damit er mit uns im Gewühl der Tanzenden abtauchen konnte. Anderntags lachte die ganze Straße über diesen nächtlichen Kinderkirmeszug. Ich glaube nicht, daß es Schadenfreude war, man hatte Verständnis.
Die Eulenkirmes war für mich immer das schönste und aufregendste Fest im Jahr. Die Zuckerbuden und das Karussell haben mich am meisten angezogen. Wenn die paar Groschen Kirmesgeld verjubelt waren, schaute ich oft stundenlang dem blinden buntgeschmückten1 Karussellgaul nach, der immer rund lief und das Karussell in Bewegung setzte. Mir tat der alte Gaul leid. Aber auf den alten Kassierer mit den rotumränderten Augen hatte ich eine Wut, weil er unfreundlich war und immerzu das arme Pferd antrieb.
Einmal stand ich wieder mit leerem Portemonnaie traumverloren vor dem bunten Treiben, als einige freche, flinke Buben aufs führende Karussell sprangen und eine Runde umsonst drehten. Mit meinen sieben Jahren traute ich mir diesen Auf- und Absprung während der Fahrt auch zu. Der alte Gaul war ja nicht so flott, wie eine Maschine.
Dieser artistische Sprung ist mir wirklich gelungen, eine kurze Runde gratis zu fahren. Stolz auf meinen großen Mut, bereitete ich mich schon auf den nächsten. Sprung vor. Soweit kam es aber nicht mehr. Der alte Kassierer gab mir, als er vorbei moschte, eine schallende Ohrfeige, daß Ich in die Knie ging.
Rot vor Scham und Schmerz lief ich nach Hause. Dort quälte mich der Gedanke, etwas Schlimmes getan zu haben und das vielleicht noch die Polizei ins Haus kommen würde. Es kam niemand, aber diese Kirmes war für mich gelaufen. Das grünkarierte Kirmeskleidchen war ohnehin voller Dreck von meinem „Sündenfall“. Ein Jahr später war das „Grünkarierte“ mit rausgelassenem Saum wieder mein Kinnesputz. Grün war zeitlebens meine Lieblingsfarbe. „Der Fuchs muß aus dem Grünen kommen“ sagte meine Mutter immer. Mau hat mir diesen Spruch so eingehämmert, daß ich von dieser Farbe nicht mehr los kam.
Gretchen meine liebe Nähschwester, hämmerte auf unserer uralten Nähmaschine auch nur „Grünes“ für mich. Gretchen, meine zweitälteste Schwester, habe ich immer sehr bewundert. Sie hatte mit 14 Monaten eine spinale Kinderlähmung bekommen, die Mau damals noch nicht erkannte. Als die angebliche Grippe mit hohem Fieber vorüber war, blieb der linke Arm gelähmt. Trost der Ärzte: „Das Kind ist sonst gesund, es wird seinen Weg machen“. So war es damals zum Glück auch. Ohne linken Arm und Hand entwickelte Gretchen soviel Geschicklichkeit ,daß sie jahrelang als begehrte Hausnäherin tätig war. schon früh stand sie auf eigenen Beinen und war allem Modernen gegenüber sehr aufgeschlossen. Ihre erste Anschaffung vom selbstverdienten Geld war ein Fahrrad. Damit fuhr sie täglich außer Haus zur Nähkundschaft.
Oft saß ich im Sommer draußen im Vorgarten klein, versteckt unter dem Holunderbusch und wartete auf Gretchen. Wie ein blonder Wirbelwind kam sie plötzlich daher geradelt – jetzt wollte ich sehen, wie sie die linke Hand an der Lenkstange befestigt hatte. Alles was sie machte, habe ich mit großer Aufmerksamkeit und viel Respekt beobachtet. Das Abspringen vom Rad, war für sie schon ein Kunststück, dann schob sie den linken Kleiderärmel hoch und zog die … Doch hier endet die Geschichte leider!
Zugesendet von Jürgen Neidhöfer Metternich – 18.01.2024
Foto Website www.katharina-schaaf.de