Reaktivierung von Schienenwegen gefragt wie nie

Zur Sache Rheinland-Pfalz
Zur Sache Koblenz

Die Ampelkoalition in Mainz möchte die Verkehrswende vorantreiben. Die Reaktivierung stillgelegter Schienenstrecken steht ausdrücklich im Koalitionsvertrag. Nach Angaben von Allianz-Pro-Schiene liegt Rheinland-Pfalz bei ihren Bemühungen im Bundesvergleich auf Rang 6 – im Mittelfeld. https://www.allianz-pro-schiene.de/presse/pressemitteilungen/reaktivierung-gefragt-wie-nie/

Rheinland-Pfalz als Flächenland ist besonders angewiesen eine Alternative zum Individual-PKW und Gütertransport auf der Straße zu schaffen. Das sind harte Fakten im Ländervergleich als Standortvorteil. Baden-Württemberg steht so gut da, weil die Kommunen finanziell bei der Gutachtenerstellung unterstützt werden. Baden-Württemberg ist allerdings auch Vorbild beim Öffentlichen Schienen Personen Nah Verkehr“ (ÖSPNV) Karlsruhe, Stuttgart, Freiburg und Tübingen sind eine Reise Wert als Beispiele für die Verkehrswende. Die Schönbuchbahn ist ein viel zitiertes Beispiel erfolgreicher Reaktivierung.

Der SWR berichtete in der Sendung „Zur Sache Rheinland-Pfalz“ am 19.10.2023 von den Bemühungen und dem Stand der Dinge. Schon die Grafik der genutzten und zu reaktivierenden Strecken, die in der Sendung gezeigt wird, zeigt deutlich, dass im Süden das Streckennetz viel dichter ausgebaut ist und der Süden viel aktiver ist, weitere Strecken zu ertüchtigen. Wen wundert’s, ist doch Karlsruhe als positives Beispiel direkt vor der Haustür. Der Landrat vom Landkreis Germersheim, Fritz Brechtel (CDU), ist sich sicher, mit 800 Fahrgästen am Tag einen Kosten-Nutzenfaktor von 1,9 zu erreichen. Ab 1.0 ist das Projekt förderfähig. Die Pendler freut’s.

Es werden einige Strecken in der Sendung genannt. Die Strecke Homburg-Zweibrücken (S-Bahn über Kaiserslautern nach Mannheim) und Trier-Ehrang werden bereits reaktiviert. Bei der Zellertalbahn (grün) werden Arbeiten bereits ausgeführt.

Gelb gekennzeichnet sind die Strecken mit einer Positive Kosten-Nutzen-Analyse:

  • Landau-Germersheim (Queichtalbahn)
  • Glan-Tal-Bahn
  • Eifel-Querbahn

In der Prüfung sind die Strecken:

  • Koblenz-Lützel-Bassenheim
  • Brexbach
  • Aartalbahn
  • Hunsrückquerbahn
  • Kasbachtal
  • Eistal
  • Landau-Herxheim
  • Wieslauter-Bahn

Die Umweltministerin Eder, von den Grünen, sieht die Notwendigkeit eines Ausbaus der Bahnstrecken und meint: „Es ist unmöglich alle 12 Strecken gleichzeitig umzusetzen“. So  wird ein Ranking erstellt.  Soweit der SWR-Bericht.

Und was macht Koblenz?

Der Vorsitzende der Bahninitiative Koblenz-Ochtendung (BIKO e.V.), Möbilitätsexperte Dr. Karl-Georg Schroll, ist der Meinung, die Strecke Koblenz-Bassenheim müsste dabei eigentlich sehr gut abschneiden. An der Strecke Koblenz-Bassenheim ist ein großes Dienstleistungszentrum B9 entstanden. Im Metternicher Feld und Gewerbegebiet Metternich sind bereits über 1000 Arbeitsplätze entstanden. Weitere Gewerbeflächen sind im Flächen-Nutzungs-Plan entlang der Strecke als Baugebiet berücksichtigt. Das Bundeswehrzentralkrankenhaus wird erweitert und hat weitere Expansions-Flächen im Flächen-Nutzungs-Plan reserviert. Für die Versorgung verwunderter Soldaten werden drei ICE-Lazarettzüge geordert. Die Wohnbebauung geht bis an die Bahnstrecke heran. Neben der Integrierten Gesamtschule befindet sich auch die neue Krankenpflegeschule des Gemeinschaftsklinikums in direkter Nähe, außerdem das Güterverkehrs-Zentrum-A61 mit großen Logistik-Unternehmen.

Im neuen Flächen-Nutzungs-Plan wird die Bahnstrecke als unbedeutend in einer Randlage beschrieben. Ein Gutachten mit einer Fragestellung unterschiedlicher Nutzung dieser Infrastruktur wartet seit einiger Zeit auf Veröffentlichung. Ob man da schon auf den Kosten-Nutzenfaktor eingeht? Wird das Gutachten im kleinen Kreis präsentiert oder zeigt man dem Bürger die wissenschaftliche Grundlage der politischen Entscheidung?

Es ist an der Zeit, dass die Arbeitnehmer, stellvertretend die Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften, und Unternehmen entlang der Strecke auf eine Nutzung drängen. Besucher des neuen Job-Centers im DLZ-B9, des Ärztehaus CIM und das geplante Ärztehaus auf dem Gelände von Axxon sind möglicherweise auf einen leistungsfähigen Ö-Schienen-PNV angewiesen. Auch der Gütertransport wird zunehmend an Bedeutung gewinnen. So hat auf einer Anhörung bei der IHK ein Tagebauunternehmen die fehlende Bahnanbindung nach Ochtendung beklagt. Bei geringem Wasserstand des Rheins möchte er den Schotter in Ochtendung und nicht in Andernach auf die Schiene verladen. Schon der Transport auf der Straße zum Andernacher Hafen ist unsinnig. Ein Transport der Papierrollen nach Bassenheim zum Druckhaus Mittelrhein und ein Abtransport der fertigen Zeitungen nach Bonn-Godesberg (Godesberger Stadt-Anzeiger) und Köln (Kölner Stadt-Anzeiger, Express) können eine wesentlich günstigere Alternative zum LKW-Verkehr sein und wesentlich CO2 einsparen. Utopisch? In der Schweiz üblich. Wenn die potentiellen Nutzer ihren Bedarf nicht nennen, sollte sich später niemand wundern, wenn die Bahn nicht reaktiviert wurde.

Koblenzer sollten sich gemeinsam bemühen im Ranking nach vorne zu kommen. Die Planung braucht Zeit, ebenso die Umsetzung und Zeit ist das Einzige was wir nicht haben. Der Klimawandel ist nicht mehr zu leugnen. Die internationalen Verträge zur CO2-Neutralität sind geschlossen. Der Bund möchte die Ergebnisse toppen und 2035 Klimaneutral sein. Das ist nicht zu schaffen, wenn wir nicht anfangen, die Verkehrswende umzusetzen. Der CO2-Anteil des Verkehrs ist ein wesentlicher Teil.

So wie der Landrat von Germersheim vom Nutzen überzeugt ist muss Koblenz von der Bedeutung der Bahntrasse Koblenz-Bassenheim überzeugt sein und schnell handeln. Bei einem positiven Ergebnis schießt der Bund bis zu 90% an Fördermittel zu.

Johannes Fuck Metternich – 24.10.2023
Foto SWR

Eine Kommentar

  1. Update. Das Gutachten zur Nutzung der Bahnstrecke Koblenz via Metternich nach Rübenach liegt vor und über den Link

    https://buergerinfo.koblenz.de/vo0050.php?__kvonr=39073

    kann man sich das Ergebnis anschauen. Wie bei jeder wissenschaftlichen Arbeit wird ohne Wertung die Möglichkeiten der Nutzung und Kostenschätzungen dargelegt. Möglich ist alles, sinnvoll ist die Nutzung der Schiene. Es wird eine Kosten-Nutzung über 1,6 ermittelt – damit Förderungswürdig. Eine unumgängliche Notwendigkeit wird nicht festgestellt. Wie auch? GummiÖPNV (Bus) ist möglich – dauert 20 min länger und ist nervenaufreibender als der Schienen-ÖPNV. Wird deshalb auch nicht entsprechend genutzt, aber egal. Zwei Personenzüge die Stunde mit je bis 500 Fahrgäste oder 4 Busse mit je 50 Fahrgäste. Was im Regionalverkehr möglich ist, sieht man auf der Rhein- oder Moseltrasse.
    Die Inwertsetzung des Wohngebiets am Lützler Bahnhof wird im Gutachten nicht berücksichtigt. Wahrscheinlich ist das Rosenquartier den Gutachtern nicht bekannt und dass Koblenz solche Synergien benennt wäre neu.
    Alternativ zu einer Verladung an den 4 Hubs die aufgeführt werden, kann die Verladung in Andernach oder in Wallersheim erfolgen. Der Standort an Attraktivität durch höhere Kosten verlieren. Stattdessen wird wenig akademisch die Lärmbelastung erwähnt. Klar, das sind die Ängste der Anlieger. Aber was macht das quantitativ aus? Entweder die aktuell 5000 Schotter-LKW auf der Straße oder 1 Zug pro Woche. Es wird doch nicht mehr Gütertransporte geben, es gibt eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Zurzeit blöd, wer an einer Durchgangsstraße wohnt.

    Jetzt wird es politisch. Hat der Entscheider im Ausschuss den Mut ein Projekt für mehrere Millionen zu beschließen? Schätzungen von 20-30 Millionen werden genannt mit weiteren Kosten für weitere Hubs. Gegen die herrschende Meinung: Gummi ist günstiger als Schiene. Der Haushalt wird mit einem Projekt stark belastet, auch wenn 90% vom Bund übernommen wird. Weder sind die Millionen im Bundeshaushalt noch in der Stadtkasse. Es gibt keinen Zwang der besagt, dass jede Chance für die Verkehrswende genutzt werden muss. Das kann man nicht einklagen. Die politische Elite sollte sich ihrer Verantwortung bewußt sein. Die Notwendigkeit der Bahnnutzung ist hinlänglich bekannt, Die Argumentation für eine Bahnnutzung ist Allgemeinwissen. Die Lösung des Problems ist bekannt. Österreich und die Schweiz gibt ein mehrfaches pro Kopf für die Bahn aus. Frankreich nutzt die Schiene. Die Zeichen stehen auf Sturm. Durch die anstehende Transformation, CO2-Abgaben und steigende Energiekosten wird nichts mehr so sein wie es mal war. Die Gelbwesten-Proteste haben einen ersten Eindruck vermittelt, was passiert, wenn das Pendlerproblem des MotorisiertenIndividualVerkehrs, nicht gelöst wird. Wenn durch die steigenden Mautgebühren und Transportprobleme durch fehlende Fahrer sich die Transportkosten stark erhöhen – mit Kostenerhöhung für die heimische Wirtschaft und der Produkte im Supermarktregal. Keiner der politisch Verantwortlichen können sagen: Das haben wir nicht gewußt! Mit dem Wissen von heute…

    Und wird in Deutschland auf die Verkehrswende hingearbeitet? Ja und Nein. Nein: Die Landesregierung hat der Stadt Koblenz eine Argumentations-Brücke gebaut indem die Eisenbahnbrücke über die Nordtangente nicht gebaut werden musste. Das Eisenbahnbundesamt hat das nicht geduldet und so hat die Stadt Koblenz die Strecke in Eigenregie übernommen.
    Ja: In diesem Monat wird im Bereich der Schiene ein Entwidmungsverbot gesetzlich verankert. Ja?
    Ein weiteres Gesetz neben Schuldenbremse und Klimaschutzgesetz mit besten Absichten und ohne Plan der Umsetzung.

    Auf der Klimakonferenz in Dubai hat Bundeskanzler Scholz für Deutschland mal wieder die eigene Verantwortung und den Tatendrang hervorgehoben. Es wäre eine Zeitenwende, wenn den Worten Taten folgen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.