Bischof diskutierte mit Kultursoziologen über die Zukunft der Kirche

Ob die Kirche noch eine Zukunft hat und wie diese aussehen könnte, war das Thema des traditionellen akademischen Tages Dies academicus des Instituts für Evangelische Theologie der Universität in Koblenz. Wegen der Corona-Pandemie fand die Veranstaltung erstmals in hybrider Form, also teils in Präsenz und teils als Videokonferenz statt. Insgesamt nahmen über hundert Personen teil.

Nach einem Grußwort des Dekans des Fachbereichs Philologie/ Kulturwissenschaften Prof. Dr. Wolf-Andreas Liebert, der auf die wachsende Bedeutung außerkirchlicher Formen von Spiritualität hinwies, skizzierte der Geschäftsführende Institutsleiter apl. Prof. Dr. Thomas Martin Schneider die Problemlage: Obwohl in der evangelischen Kirche im Grunde bereits längst alles verwirklicht sei, was die katholischen Reformer sich derzeit erhofften, hätten in den vergangenen Jahrzehnten sogar deutlich mehr Menschen die evangelische Kirche verlassen als die römisch-katholische. Seien vor hundert Jahren noch knapp zwei Drittel der Deutschen evangelisch gewesen, so sei es gegenwärtig nicht einmal mehr ein Viertel.

Aus ihrer Diskussion entwickelten sich spannende Zukunfts-Szenarien für die Kirche (v.l.n.r.): Bischof Dr. Markus Dröge, apl. Prof. Dr. Martin Schneider und Prof. Dr. Clemens Albrecht. Foto: Universität Koblenz-Landau

Der ehemalige Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz Dr. Markus Dröge – Ehrendoktor der Universität in Koblenz und bis vor Kurzem Mitglied im Rat der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) und Aufsichtsratsvorsitzender des Diakonischen Werkes sowie von des Hilfswerks der evangelischen Landeskirchen „Brot für die Welt“ – schilderte in seinem Impulsreferat zunächst die Situation in Brandenburg: Dort gebe es Gemeinden mit nur noch ein paar Dutzend Mitgliedern und einzelne Pfarrer hätten nicht selten zwanzig Kirchen zu betreuen. Die Kirche befinde sich, so Dröge, in einem Transformationsprozess, dessen Ausgang noch nicht klar sei. Er stellte er das Zukunftspapier „Hinaus ins Weite – Kirche auf gutem Grund“ vor. Der christliche Glaube müsse wieder sichtbarer bezeugt werden. Die Kirche dürfe sich nicht hinter ihren Kirchenmauern zurückziehen, sondern müsse auch in die Gesellschaft hineinwirken und den Dialog mit Andersgläubigen sowie Atheisten suchen. Tendenzen, den gegenwärtigen Rechtsstatus zu überwinden und die Kirche in eine Nichtregierungsorganisation (NGO) zu überführen, sah Dröge kritisch und verwies darauf, dass etwa die kleine Religionsgemeinschaft der Aleviten gerade den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts anstrebe.

Prof. Dr. Clemens Albrecht, ehemaliges am Institut für Soziologie der Universität in Koblenz und nun Inhaber des Lehrstuhls für Kultursoziologie an der Universität Bonn, gab zu bedenken, ob sich die Kirche nicht in einer langen aufklärerisch-kulturprotestantischen Tradition zu sehr in der Welt eingerichtet habe und dabei die heilsgeschichtliche Perspektive des kommenden Gottesreichs aus dem Blick verloren habe. Aus religionssoziologischer Sicht entwarf er drei mögliche Zukunftsszenarien der Kirche: Erstens den anglikanischen Weg einer Stiftung, die allgemeingesellschaftliche Aufgaben mitübernehme, zweitens den amerikanischen Weg dynamisch sich entwickelnder, nicht selten charismatischer Freikirchen und drittens den Weg, nichts zu verändern. Albrecht kritisierte, dass sich die tatsächliche Pluralität der Kirche in den kirchlichen Verlautbarungen oft nicht hinreichend widerspiegele, und fragte, ob Kirche nicht stärker als bisher Gemeindekirche sein müsse.

Dr. Birgit Förg Universität Koblenz-Landau – 19.11.2021

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